Genau diese Frage habe ich mir gestellt, als ich zum ersten Mal von dem Event „Mammutmarsch“ hörte. Und jeder mit dem ich darüber gesprochen habe meinte „nein, das kann man nicht schaffen“. Nach ersten Recherchen im Internet merkte ich nach dem Lesen von einigen Erfahrungsberichten, doch es ist möglich, aber nur mit ganz viel Willensstärke und unter Schmerzen. Nachdem sich eine motivierte Truppe von 4 Leuten gefunden hatte, war auch ich bereit den Versuch zu wagen. Vor ein paar Jahren machte ich eine Pilgerreise durch Österreich, bei der wir in 4 Tagen 100 Kilometer zurücklegten und auch mit dem Fahrrad war meine größte Distanz bis jetzt 90 Kilometer an einem Tag. Die vollen 100 Kilometer waren für mich deshalb ein unrealistisches Ziel und da die Veranstalter den Marsch so konzipieren, dass man bereits ab Kilometer 40 eine Urkunde bekommt und somit aufhören nicht gleich aufgeben ist, setzte ich mir 60 Kilometer als Ziel. Und selbst diese Distanz stieß bei vielen erfahrenen Wanderern auf Skepsis.
Um es vorweg zu nehmen (Achtung Spoiler!), ich habe mein Ziel nicht erreicht, sondern bin weit darüber hinaus gegangen und konnte tatsächlich nach 26 Stunden die Ziellinie übertreten. 100 Kilometer in 26 Stunden, auch wenn es nicht vorstellbar ist kann es wahr werden. Wie ich es geschafft habe, warum die Sockenschuhe einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet haben und warum die richtigen Mitmarschierer wichtiger sind als die beste Ausrüstung, möchte ich euch nun erzählen:
Die Vorbereitung
Bevor ich mich für den Mammutmarsch angemeldet habe, absolvierte ich zuerst zwei Trainingsmärsche von 25km. Mir war es wichtig einschätzen zu können, ob ich nach einem Viertel der Gesamtstrecke schon am Boden bin oder ob da noch mehr geht. Beide Probemärsche waren ok, ich war danach schon erledigt und hatte teilweise ein paar kleinere Krämpfe, aber alles im Rahmen. Mein größtes Problem waren aber immer die Füße. Keine Probleme mit Blasen oder Druckstellen, jedoch die Fußsohle krampfte stark. Ich hatte immer Trekkingschuhe mit günstigen Sportsocken an, da diese mich gut gegen Blasen schüzten, blieb ich dabei und fing bei meinem nächsten Marsch an alle 5-10 Kilometer die Schuhe auszuziehen und zu massieren. Das funktionierte super und ich hatte das Gefühl, die Füße konnten sich wesentlich besser erholen. Der nächste Schritt war ein Tennisball, mit dem ich zusätzlich die Faszien der Fußsohle löste. Bei meiner nächsten Wanderung die mich zum ersten Mal durch den Wald führte, nahm ich dann zum ersten Mal die Sockenschuhe mit. Als nach 20 Kilometer die Fußsohlen wieder anfingen zu krampfen wechselte ich von Trekkingschuhen auf Sockenschuhe. Ein sehr ungewohntes Gefühl nach so einer langen Strecke in Schuhen, aber ich merkte schon nach wenigen Metern, dass es genau das richtige für meine Fußsohlen war. Das Barfußgefühl war nie stärker, und so war für mich klar, neben Wasser, Magnesium und meinem Tennisball gehören die Sockenschuhe auf jeden Fall zur Grundausstattung meines Marsches. Dass sie mir am Ende nicht nur ein Barfußgefühl zwischendurch bescheren, sondern mich nach 50 Kilometern vorm Aufhören bewahren, wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
Der Mammutmarsch
Nach insgesamt 5 Trainingsmärschen, 2x 25, 2x30 und 1x40 Kilometer (den längsten Marsch habe ich ganz alleine in 8 Stunden bewältigt, was ich aber niemandem empfehlen kann, weil für mich ein Alleinmarsch unfassbar mühsam und langwierig war, trotz Musik und Hörbuch) war der Tag der Tage gekommen. Die Mammutmärsche starten immer nachmittags, da man dann noch relativ fit in die Nacht kommt und bei starker Sonne nicht gleich am Anfang der Mittagshitze ausgesetzt ist. Ich habe ein bisschen länger geschlafen, gemütlich gefrühstückt und dann noch die letzten Sachen in meinen bereits vorbereiteten Rucksack gepackt. Gestartet bin ich mit keiner speziellen Ausrüstung, ich hatte eine Sporthose, ein T-Shirt, ein warmes Vlies und eine einfache Regenjacke an. Mein Rucksack war ein sehr günstiger Rucksack ohne jegliche Spezialfunktionen, ich habe mich bewusst dafür entschieden, weil ich ihn immer für die Trainingsmärsche verwendet habe und er sehr leicht und klein war. Zusätzlich eingepackt hatte ich noch Wechselkleidung (die ich nicht brauchte), Blasenpflaster (die ich auch nicht brauchte), 1,5 Liter Wasser, eine Powerbank fürs Handy (wichtig für die Navigation), eine Stirnlampe für die Nacht, sehr viel Jause und Müsliriegel und – ich hätte sie fast vergessen- meine Sockenschuhe. Insgesamt hatte der Rucksack fast 5 kg, viel zu viel und ich hatte auch noch jede Menge Schnickschnack mit den ich nächstes Mal zu Hause lassen werde (eine Woche danach spreche ich bereits vom „nächsten Mal“, das Mammutfieber hat mich echt gepackt).
Um 13:00 ging es los zum Start nach Tulln, alle natürlich total aufgeregt. Nachdem es pünktlich 10 Minuten vor dem Start zu regnen begann, starteten wir um 15:00 alle warm eingepackt und mit Regenschutz. Der Start war wenig spektakulär, man trotte mit 999 anderen Verrückten einfach mal drauf los. Es ging am Donauradweg entlang Richtung Wien. Nach Kilometer 8 setzten sich bereits zwei unserer Truppe nach vorne ab, weil sie nicht bei unserem Füßedurchmassierritual mitmachen wollten. Ich wusste aber zu dem Zeitpunkt schon, dass das für mich entscheidend sein wird, mein Glück lag in Sohlen meiner Füße. Und meine zwei Mitmarschiererinnen sahen das genauso. Offensichtlich hatten aber alle anderen den ersten Versorgungsposten bei Kilometer 20 als vorerst einzige Pause eingeplant und so merkten wir schnell, dass wir ziemlich weit hinten in der Mammutkolonne angekommen waren. Es war uns egal, unser Ziel war keine bestimmte Zeit, sondern möglichst viele Kilometer zu schaffen. Beim ersten Versorgungsposten stärkten wir uns, legten eine kleine Yogaeinheit ein, massierten unsere Füße und zogen flott weiter um den Anschluss nicht zu verlieren. Und unsere Strategie bewährte sich, nach Einbruch der Dunkelheit rollten wir das Feld von hinten auf. Trotz unserer regelmäßigen Pausen überholten wir einige Mitstreiter und sahen die ersten schmerz- und blasenbedingten Ausfälle ab Kilometer 30. Beim Anblick der Füße wurde mir da zum ersten Mal bewusst, dass es wirklich kein Aufgeben gibt. Viele haben sich schon sehr viel weiter geschleppt als ihr Arzt es ihnen geraten hätte. Deshalb möchte ich auch hier nochmal sagen, Respekt jedem der mitgemacht hat, ich habe es in den Gesichtern gesehen, dass jeder Ausstieg begründet war. Für uns ging es aber noch weiter.
Die Freude war groß als wir den zweiten Versorgungsposten erreichten. Zum einen hatten wir die Donau und den asphaltierten Radweg nun endlich hinter uns gelassen, zum anderen kamen wir unserem Ziel immer näher. Hier rettete mich auch mein Tennisball vor einem länger anhaltenden Krampf in der Kniekehle. Nach einer kleinen Stärkung mussten wir wieder ein paar neu gewonnene Wegbegleiter verabschieden. Nun hatte sich die Besetzung der Strecke schon sehr ausgedünnt, wir trafen nur noch ganz wenige Mitstreiter. Endlich in Wien angekommen hofften wir, dass es von Heiligenstadt rauf zu den Stadtwanderwegen ging. Die kannten wir bereits von unseren Trainingsmärschen und ich wusste, dass sich der Waldboden perfekt für die Sockenschuhe eignen würde. Die bisherigen 40 Kilometer waren fast ausschließlich Asphalt und ich hatte Bedenken hier auf die Sockenschuhe zu wechseln, weil ich sie im Alltag fast nur auf weichem Untergrund nutze und deshalb den Asphaltboden nicht gewöhnt bin. Leider hatten die Veranstalter aber die Strecke durch die hügeligen Bezirke Wiens gewählt und nicht die Stadtwanderwege eingeplant. Das hieß es ging nun bergauf und bergab, aber immer noch über Asphalt und Pflastersteine.
Bei Kilometer 50 war dann für eine Mitstarterin Schluss. Die Füße gaben auf und Schmerzen in den Knien kamen dazu. Bevor wir uns zu zweit weiter auf den Weg machten zog ich aber die Reißleine. Bergauf war ganz gut für die Beine, weil lange Strecken geradeaus eine immer gleiche Bewegung bedeuten. Bergab war aber für mich die Hölle, weil meine Zehen vorne an den Schuh drückten und mein kleinen Zehen seitlich eingequetscht wurden. Obwohl ich mit den Sockenschuhen nicht auf Asphalt gehen wollte, war dies meine einzige Möglichkeit mein Ziel von 60 Kilometer zu erreichen. Also zog ich sie schnell um und merkte sofort, dass das meine Rettung ist. (Fast) barfuß nach 50 Kilometern um 3:00 nachts durch Wien war das Beste was ich mir zu diesem Zeitpunkt vorstellen konnte. Ganz langsam vergingen dann die nächsten Stunden bis wir uns dem Versorgungsposten 3 näherten. Wir fanden wieder neue Wegbegleiter und während meine letzte Mitstreiterin langsam auch mit ihren Schuhen kämpfte merkte ich, dass bei mir mit den ersten Sonnenstrahlen wieder Energie und Motivation zurückkehrte. Die letzten zwei Kilometer ging es nur bergab und ich bin mir sicher mit meinen Trekkingschuhen hätte ich spätestens hier ein Taxi rufen müssen.
Wir schafften es alle zum Versorgungspunkt und waren voller Glück. Während die ganze Truppe ziemlich am Ende war, motivierten sie mich aus vollem Herzen weiterzugehen. Tatsächlich war es nicht mein Ehrgeiz der mich vorantrieb, sondern zu sehen, wie andere körperlich bedingt einfach aufhören mussten und es mir aber immer noch sehr gut ging. Die Nacht war überstanden, keine Blase am Fuß und 10 Leute um mich herum die unbedingt sehen wollten wie die verrückte Frau mit den Socken weitergeht. Ich war es ihnen einfach schuldig es zumindest zu versuchen. Nach einer ganz kurzen Pause formte sich plötzlich eine neue Gruppe aus Leuten denen wir schon bei Kilometer 30, 40 und 50 begegnet sind. Die Motivation dieser Leute riss mich einfach mit und so schnell konnte ich gar nicht schauen hatten wir den Versorgungsposten verlassen und machten uns auf in Richtung Ziel. Ich sage bewusst „Ziel“, weil dazwischen gab es jetzt nichts mehr. Versorgungsposten 4 wartete zwar bei Kilometer 82 auf uns, aber alle sagten „wenn wir es so weit schaffen, hören wir auch nicht mehr auf“. Und das war der Spirit der uns nun trug. Schritt für Schritt ging es nun aus Wien hinaus wieder Richtung Tulln. Auf dem Weg sammelten wir Mitstreiter auf die kurz vorm Aufhören waren und so bildetet sich eine immer größer werdende Horde. Zirka bei Kilometer 70 wechselte ich nach 20 Kilometern wieder auf meine Trekkingschuhe. Ein spannender Moment, weil ich mir nicht sicher war, ob ich in die Schuhe noch schmerzfrei reinkomme. Aber dem war so. Die Druckstellen hatten sich total entspannt, meine Fußsohle war gelockert und ich konnte einige Zeit wieder super mit den Schuhen gehen. Die Schmerzen kamen dann wieder und so wechselte ich später wieder zurück auf die Sockenschuhe und konnte so nach Bedarf zwischen Trekkingschuhen und Sockenschuhen abwechseln.
Als wir Versorgungsposten 4 erreichten fanden wir dort ein paar einsame Mammuts die nicht mehr weitergehen wollten. Einer hatte einfach zu viele Blasen und Schmerzen in den Beinen. Als wir uns austauschten war er aber von unserer Motivation so gepackt, dass er unbedingt weitergehen wollte, aber er konnte seine Schuhe nicht mehr anziehen. Fasziniert von meinen Sockenschuhen entschied er barfuß weiterzumachen. Eine verrückte Idee, aber für ihn ein unglaublich befreiendes Gefühl. Unsere Gruppe erhielt wieder Zuwachs, alle schlossen sich an und wir gingen gemeinsam weiter. 18 Kilometer sagten wir uns, das ist schon weniger als 20! Jetzt war das Ziel zum Greifen nah! Zum ersten Mal realisierten wir, dass wir es nicht mehr in 24 Stunden ins Ziel schaffen werden, aber das war wirklich nebensächlich. Auf den letzten Kilometern zerfiel die Horde dann in ein paar kleinere Gruppen, weil es ab Kilometer 10 sehr hart wurde. Die Stunden vergingen und wir näherten uns nur langsam an. Die letzten Kilometer waren dann auch für mich ganz schlimm. Davor war ich immer sehr fit, aber hier brach dann alles über mir zusammen. Auch die innere Stärke hat irgendwann ein Ende und so schleppten wir uns mental gegenseitig ins Ziel. Dort warteten die Veranstalter und Freunde mit den Medaillen auf uns. Alle waren überwältigt. Wir waren einfach nur froh angekommen zu sein, dass wir es ins Ziel schaffen wussten wir ja schon seit Kilometer 60 ;-)
Fazit
Es ist wirklich der unbändigen Motivation und guten Laune bestimmter Personen zuzuschreiben, dass das Projekt Mammutmarsch auf für Durschnittsportler wie mich funktionieren kann. Es ist natürlich eine körperliche Herausforderung, aber manchmal braucht man auch ein wenig Glück. Bei mir war das bestimmt, dass ich die Sockenschuhe eingepackt und die richtigen Leute um mich herum hatte.
Ob ich nochmal mitmachen werde? Ich weiß es noch nicht, während der letzten Kilometer war es für mich das härteste was ich bis jetzt erlebt habe und ein Gefühl, das ich niemandem wünsche. Die Zeit danach war aber unbeschreiblich schön. Es war nicht nur der Moment im Ziel der sich so toll anfühlt, sondern Tage später das Gefühl es tatsächlich geschafft zu haben.
PS: alle die sich bei Kilometer 60 zusammengeschlossen haben und die wir auf der Strecke aufgesammelt haben, haben es ins Ziel geschafft. Sogar der Barfußmensch hat die letzten 18 Kilometer durchgehalten und es tatsächlich ins Ziel geschafft. Alles ist möglich!
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